Weniger Höfe, mehr Hektar: Wohin entwickelt sich die Landwirtschaft?

«Das Höfesterben ist in vollem Gang»

Weniger Höfe, mehr Hektar: Wohin entwickelt sich die Landwirtschaft?

Mainz (dpa/lrs) -  Die rheinland-pfälzischen Bauern sorgen sich um ihre Zukunft. Nach Studien und Statistiken wird sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe bundesweit bis zum Jahr 2040 mehr als halbieren. In Rheinland-Pfalz ist der Strukturwandel bereits spürbar. «Das Höfesterben ist in vollem Gang», sagt ein Sprecher des Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau. «Wenn die Politik mit dem Verursachen von hohen Auflagen und Kosten nicht aufhört, wird es vor allem in Mittelgebirgslagen bald keine landwirtschaftlichen Betriebe mehr geben.»

Der Vorstand des Vereins «Landwirtschaft verbindet» (LSV), Thilo Ruzycki, rechnet für Rheinland-Pfalz mit einem noch stärkeren Strukturwandel als im gesamten Bundesgebiet. Gerade im Weinbau gebe es Betriebe, die etwa an der Mosel eine Fläche von nur zwei bis drei Hektar bewirtschaften. In Rheinhessen liege die Größe oftmals bei acht bis 16 Hektar. Immer öfter würden diese Höfe nicht weiterbetrieben, verpachtet oder in den Nebenerwerb überführt und die Besitzer suchten sich einen neuen Job.

Den Landwirten gehe es dabei nicht um finanzielle Aspekte. Die überbordende Bürokratie mit einer riesigen Zahl an Vorschriften sorge dafür, dass die Bauern ihre Höfe aufgäben, sagte der LSV-Vorstand, der selber ein Weingut betreibt. Aus Sicht von Herbert Netter, Sprecher des Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, sind von dem Strukturwandel neben den Weinbauern besonders auch die Schweine haltenden Betriebe betroffen.

«Die Auflagen und die Preissituation sind kaum auszuhalten. Vor allem kleinere Betriebe können die Auflagen nicht finanzieren und geben auf», sagte der Verbandssprecher. «Da wir in Rheinland-Pfalz aber nur kleinere Betriebe haben, gibt es bereits heute im ganzen Land nur noch 150 Schweinehalter.» Die Entwicklung sei sehr bedenklich. Auch die Selbstversorgung der Bevölkerung mit Obst und Gemüse sei teilweise bereits nicht mehr gewährleistet. Die rheinland-pfälzische Landwirtschaft müsse mit den Importen aus Billiglohnländern konkurrieren, wo die Landwirte oft auch keine Auflagen beachten müssen.

Auch der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd macht die für die Landwirte schwierigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung verantwortlich. Die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Markt müsse gewährleistet sein. Die Erlöse stiegen nicht mit den anfallenden Kosten. Vorschriften und Auflagen müssten zurückgefahren werden und die Landwirte benötigen mehr Flexibilität für ihren Anbau. Der Strukturwandel mit einem Verlust an Höfen könne zwar nie ganz gestoppt werden. Aber die Geschwindigkeit dieser Entwicklung auch in Rheinland-Pfalz sei besorgniserregend, sagte Verbandssprecher Andreas Köhr.

Nach seinen Angaben sind in den vergangenen Jahren vor allem Höfe mit einer Betriebsgröße von unter fünf Hektar bereits verschwunden. Die Abnahme betreffe grundsätzlich aber alle Betriebsgrößen bis auf Höfe, die eine Fläche von über 100 Hektar bewirtschaften. Insgesamt bleibe die in Rheinland-Pfalz von den Bauern genutzte Fläche aber gleich groß, sagte der Verbandssprecher. Es gebe jedoch nicht viele Neugründungen, die die frei werdenden Flächen aufnähmen. Die bestehenden Höfe würden größer. 

Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) sprach von einer ähnlichen Entwicklung in Rheinland-Pfalz wie im gesamten Bundesgebiet. 

In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2022 laut Statistischem Landesamt 15 700 landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 45 Hektar gezählt. Die bewirtschaftete Fläche betrug rund 706 000 Hektar. Drei Jahre zuvor waren im Land noch 20 564 Betriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 34 Hektar registriert worden. 

Im gesamten Bundesgebiet wird sich nach einer jüngsten Veröffentlichung der DZ-Bank die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe von rund 256 000 Höfen im Jahr 2022 auf etwa 100 000 Betriebe im Jahr 2040 mehr als halbieren. Kleine Bauernhöfe müssen nach der Studie unter Kostendruck immer mehr großen industriellen Betrieben weichen. Zunehmende Anforderungen durch Umweltschutz, Tierwohl und Betriebswirtschaft belasten die Bauernhöfe immer stärker.

Bei etwa gleichbleibender landwirtschaftlicher Fläche dürfte sich die Durchschnittsgröße eines Betriebs nach Schätzung der DZ-Bank-Experten so von 64,8 Hektar auf 160 Hektar im Jahr 2040 mehr als verdoppeln. Langfristig würden immer mehr große, kapitalintensive Betriebe mit moderner Technik die Branche prägen. Der bäuerliche Familienbetrieb stehe zunehmend vor dem Aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bewirtschafteten die Betriebe zusammen eine nahezu unveränderte Fläche von 16,6 Millionen Hektar.

 

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Datum: 18.03.2024
Rubrik: Wirtschaft
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